«Das Walnusshaus» von Miljenko Jergovic

Eigentlich würde die Geschichte damit beginnen, dass ein Holzschnitzer den Auftrag erhält, eine aus Walnussholz gefertigte Miniatur eines Hauses samt Einrichtung und Bewohner anzufertigen. Das glückliche Kind, das dieses Haus erhalten soll, ist zu diesem Zeitpunkt im Jahre 1905 noch gar nicht auf der Welt. Die Geschichte allerdings beginnt 2002, aber da hat sich die Beschenkte nach 97 Lebensjahren nicht ganz freiwillig wieder von dieser Welt verabschiedet. Der Arzt wird verdächtigt, dass er die an ihrem Lebensabend zum «unausstehlichen Monster» gewordene greise Frau «erlöst» haben soll. Doch «Das Walnusshaus» beginnt gleich mit deren am Rande des Nervenzusammenbruchs stehenden Tochter, die einer äusserst gelangweilten Polizeiarchivarin verzweifelt klar machen will, dass sich alles ganz anders zugetragen habe.

Damit beginnt eine vielschichtige, manchmal todtraurige, dann wieder absurde, bitterböse und oft auch witzige Chronik einer Familie, die durchs ganze 20. Jahrhundert von Dubrovnik weit über den Balkan hinaus, bis nach Paris und in die ferne USA reicht. Erzählt wird sie vom kroatischen – 1966 im bosnischen Sarajevo geborenen – Autor Miljenko Jergovic, und zwar in einer Art und Weise, dass sie einen bereits nach den ersten paar Sätzen im Buch nicht mehr loslässt.

Jergovic jongliert mit der Chronologie der Ereignisse, indem er sie unter anderem rückwärts erzählt. Damit gelingt es ihm, nicht nur eine überaus spannende und unterhaltende Familiengeschichte, sondern auch die Geschichte des Balkans in immer neuen Perspektiven auszurollen. Selten wurde die traumatische Geschichte Jugoslawiens gleichzeitig so ernst und lustvoll wie ironisch und berauschend erzählt wie in «Das Walnussholz».

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Miljenko Jergovic. Das Walnusshaus. Roman. Taschenbuch. Broschur. 624 Seiten. Heyne, München

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