13. August 2014
John Turturro über seinen neuen Film «Fading Gigolo»
«Shut up and listen»
Mit «Fading Gigolo» hat John Turturro eine kleine, feine New York-Komödie gedreht. Im Gespräch äussert sich der Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor über die Zusammenarbeit mit Woody Allen und Vanessa Paradis, über die Wichtigkeit seines Friseurs und über seine Fähigkeit, Frauen zu verstehen.
«Am Anfang war da nur diese Idee, eine völlig verrückte Komödie machen zu wollen», sagt John Turturro, der gutgelaunt und sichtlich aufgeräumt in einem New Yorker Hotel sitzt und über «Fading Gigolo», seine fünfte Regiearbeit, spricht. Aus der «verrückten» Komödie wurde im Laufe der Entstehung ein kleiner, feiner New York-Film, der mit Sharon Stone, Sofia Vergara, Liev Schreiber, Vanessa Paradis, Woody Allen und Turturro grandios besetzt ist. Die subtilen Untertöne im fertigen Drehbuch seien Allen zu verdanken, gibt Turturro unumwunden zu. «Woody ist der Meister der nuancierten Andeutung. In dieser Hinsicht konnte ich viel von ihm lernen.»
Dass es zu einer Zusammenarbeit der beiden New Yorker gekommen ist, dafür ist letztlich ihr gemeinsamer Coiffeur verantwortlich. «Als ich wieder mal bei Anthony zum Haare schneiden war, erzählte ich ihm von meiner Absicht, einen Film über einen untypischen Gigolo zu drehen», schmunzelt er. «Kurz darauf hatte ich Woody Allen am Telefon. Anthony hatte ihm erzählt, ich hätte da eine spannende Idee.»
In «Fading Gigolo» spielt Turturro den Floristen Fioravante, Allen sein väterlicher Freund Murray. Und weil beide finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, hat Murray die Idee, seinen Kumpel zum Gigolo umzukrempeln. Dieser völlig absurde Auftakt gelingt in der Tat nur durch einen Stadtneurotiker wie ihn einzig Woody Allen mimen kann. Und ginge der Film in dieser Art weiter, wäre er wirklich nichts weiter als eine Klamotte ohne Tiefgang. Doch «Fading Gigolo» mutiert in der Folge zu einer erotischen Komödie mit leisen Untertönen, die so gar nichts mit blossen Männerfantasien zu tun hat. Dies zeigen alleine schon die verschiedenen weiblichen Charaktere, angefangen bei Dr. Parker, gespielt von Sharon Stone, einer attraktiven Ärztin, die aber längst vom Ehemann für eine Jüngere verlassen worden ist, sowie ihrer Freundin Selima, feurig interpretiert vom Latino-Star Sofia Vergara, die alles personifiziert, was Parker gerne sein möchte.
Doch der eigentliche Star des Films ist die von Vanessa Paradis verkörperte Avigal. Eine hassidische Jüdin, verwitwet und Mutter von sechs Kindern. «Sie ist das Herz des Films», schwärmt Turturro, «obwohl dies ursprünglich so nicht gedacht war.» «Ein Film», so der Regisseur und Drehbuchautor, «beginnt irgendwann ein Eigenleben zu entwickeln. Vanessa hat ihrer Rolle eine derart magische Dimension verliehen, dass sich die ganze Geschichte darin zu spiegeln beginnt».
#-#IMG2#-#Dank dieses Charakters verwandelt sich «Fading Gigolo» von einer spritzigen, aber doch an der Oberfläche haftenden Komödie zu einem Film, der deutlich die Handschrift Turturros zeigt. Er, der das Unterschwellige, den Widerspruch so brillant in zahlreichen Filmen verkörperte, allen voran in den Werken von Spike Lee (etwa in «Do The Right Thing» und «Jungle Fever») oder den Coen Brothers (unter anderen in «Barton Fink» und «O Brother Where Art Thou?» ), hat in diesem Film nicht sich selbst, sondern Vanessa Paradis zum eigentlichen Turturro-Charakter gemacht.
Als orthodoxe Jüdin ist es Avigal verboten, nackte Haut zu zeigen. Zudem ist es ihr strengstens untersagt, sich von anderen Männern berühren zu lassen. Als religiös erzogener New Yorker süditalienischer Abstammung war Turturro vom Spannungsfeld zwischen Sexualität und Religion schon immer fasziniert. «Dort geschieht wirklich Spannendes», meint er. «Das zieht sich durch die ganze Filmgeschichte hindurch. Federico Fellini, Luis Buñuel, Louis Malle oder Ingmar Bergman, alle haben sie dieses Thema ausgelotet. In einer Welt, in der alle Hüllen weitgehend gefallen sind, wird es allerdings immer schwieriger, dies visuell umzusetzen.»
Turturro hat es geschafft. Und in das glitzernde, vom Kapitalismus getriebene Manhattan als Gegenpol ein in sich gekehrtes Brooklyn eingeflochten. Eine Gegenwelt, die der Versündung trotzt und trotzdem immer wieder der Versuchung anheimfällt. Und so reist die neugierige Avigal tatsächlich zum ersten Mal in ihrem Leben nach Manhattan, um auf Anraten Murrays Fioravante aufzusuchen. Die erste Begegnung der beiden wird dann zum Dreh- und Angelpunkt eines Films, der in seiner Leichtfüssigkeit immer wieder mehr zeigen will, ohne es dem Betrachter gleich unter die Nase zu reiben.
«Mein Film ist im Grunde genommen nichts weiter, als eine Variation der Geschichte von Romeo und Julia. Nur handelt es sich dieses Mal nicht um liebende Teenager, sondern um Erwachsene, die sich trotz des Begehrens deren Konsequenzen bewusst sind.» Der Film offenbart diesen Tiefgang nur ansatzweise, weil sich «Fading Gigolo» als simple romantische Komödie gegen aussen besser verkaufen lässt. Aber für alle, die hinter der Leichtfüssigkeit mehr entdecken wollen: an nuancenreichen Andeutungen mangelt es nicht. Auf jeden Fall trägt «Fading Gigolo» zum Ruf Turturros bei, den er weitherum geniesst. Man sagt, er sei einer jener Männer im Filmbusiness, der Frauen wirklich versteht. Und er verrät auch gleich noch sein Geheimnis: «Ich kann zuhören. Ich habe mein ganzes Leben mit Frauen verbracht. Zuerst war ich Sohn, nun Ehemann. Und als oberstes Gebot gilt: Shut up and listen. So einfach ist das.» Und dann lächelt er nochmals, bevor er sich verabschiedet.
Rudolf Amstutz
#-#IMG3#-##-#SMALL#-#Fading Gigolo. USA 2013. Drehbuch und Regie: John Turturro. Kamera: Marco Pontecorvo. Mit: John Turturro (Fioravante), Woody Allen (Murray), Vanessa Paradis (Avigal), Liev Schreiber (Dovi), Sharon Stone (Dr. Parker), Sofia Vergara (Selima), Bob Balaban (Sol).