7. Oktober 2013

«Rush» – Interview mit Daniel Brühl

«Niki Lauda hat mich gelehrt, meine Furcht zu überwinden»

Seine oscarverdächtige Verkörperung von Niki Lauda alleine macht «Rush» bereits zu einem sehenswerten Erlebnis: Daniel Brühl. Ein Gespräch mit dem 35-jährigen Schauspieler über Formel 1, Regisseur Ron Howard und über seine Begegnung mit Niki Lauda.

Interview: Rudolf Amstutz
Oscarverdächtig: Daniel Brühl als Niki Lauda in «Rush» von Ron Howard. Foto: © Ascot Elite

Daniel Brühl, Sie verkörpern Niki Lauda in Ron Howards Film «Rush». Hatten Sie bereits vor dem Film eine Beziehung zur Formel Eins?

Nun, ich bin in Köln aufgewachsen und das ist nicht weit weg vom Nürburgring, wo Niki Lauda ja seinen Unfall hatte. Die Formel Eins ist eine faszinierende und komplexe Sportart, aber man muss sich schon auch mit dem technischen Aspekt befassen, um sie wirklich geniessen zu können. Jetzt, nachdem ich ausführlich mit Niki Lauda sprechen konnte und ich ihn auch an Rennen begleiten durfte, verstehe ich davon wesentlich mehr als früher. Ich war zwar als Kind ein Fan der Formel Eins, aber als Michael Schumacher begann, jedes Rennen zu gewinnen, wurde es mir zu langweilig. Da sah ich dann lieber Fussball oder Tennis. Erst als ich den Dokumentarfilm «Senna» gesehen hatte, kam die Faszination zurück. Und zwei Monate nachdem ich «Senna» gesehen hatte, erhielt ich das Skript zu «Rush» und das haute mich dann endgültig aus den Socken. Es ist so gut geschrieben und Drehbuchautor Peter Morgan ist wirklich ein Genie, wenn es darum geht, den Charakter realer Figuren sichtbar zu machen.

In den meisten Fällen spielen Schauspieler fiktive Personen auf der Leinwand. Sie mussten sich mit einer lebenden Legende auseinandersetzen.

Es fühlte sich anfänglich schon seltsam an, Niki Lauda auf der Leinwand darzustellen. Neben meiner Begeisterung, dass ich den Zuschlag erhielt, kam dann schon auch Panik auf. Um ehrlich zu sein: ich und Niki Lauda haben als Typen nicht sehr vieles gemeinsam. Es bedurfte deshalb eines ziemlichen Aufwandes, um mich auf diese Rolle vorzubereiten. Und da bin ich Niki extrem dankbar, dass er mich über die ganze Zeit hinweg betreut und beraten hat. Wir diskutierten dabei auch über sensible und ganz persönliche Dinge wie die permanente Auseinandersetzung mit dem Tod oder wie man es schafft, die eigene Angst zu überwinden.

Was hat Ihnen denn Niki Lauda über seinen Unfall erzählt?

Er hat absolut keine Erinnerung daran und es war für ihn sehr emotional, nun diese entscheidenden Momente im Film zu sehen. Er hat sich diese Szene immer und immer wieder angesehen. Er hat Peter Morgan dann erzählt, dass er nach der Filmpremiere in London nicht schlafen konnte, weil das Ganze ihn emotional derart stark aufgerüttelt hat.

Nur 42 Tage nach dem Crash fuhr er bereits wieder Rennen.

Genau. Ich habe ihn gefragt: «Niki, Du musst doch Angst verspürt haben.» Und er erwiderte, ja, er hätte beim ersten Rennen nach dem Unfall in Monza, während einer Testfahrt eine Panikattacke erlitten. Er war dermassen paralysiert, dass er nicht mehr schalten konnte und so fuhr er eine ganze Runde zitternd im zweiten Gang. (imitiert Lauda): «Ich ging in ein Zimmer, schloss die Vorhänge und legte mich hin und analysierte meine Angst eine Stunde lang» (lacht) Ja, und dann wurde er Vierter im Rennen. Das ist irgendwie verrückt (schüttelt den Kopf).

Wie oft sassen Sie selber im Auto für die Rennszenen?

Mehr als ursprünglich gedacht. Versicherungstechnisch war man zuerst natürlich sehr besorgt, aber ich und Chris Hemsworth, der James Hunt verkörpert, gingen für einen Monat in ein Formel 3-Bootcamp. Ausser bei den spektakulären Rennszenen und den Unfällen, die allesamt von Profis bestritten wurden, sassen wir selber im Auto. Nur einmal kam es dabei zu einem Zwischenfall: Als ich zum ersten Mal in meinem Ferrari fuhr, löste sich ein Rad. Als ich dann Chris und seine Mechaniker lachen sah, dachte ich sofort: Ah, wieder einer dieser schmutzigen McLaren-Tricks (lacht).

Wie war das Verhältnis zu Ihrem Filmrivalen Chris Hemsworth während der Dreharbeiten? Kam da auch mal Missmut auf?

Nur, wenn ich um drei Uhr morgens schon aufstehen musste, um in die Maske zu gehen. Da sass ich dann sechs oder sieben Stunden auf einem Stuhl und studierte den Zeitplan der anderen. Und einmal las ich dort: Beginn für Chris Hemsworth – zehn Uhr. Seine erste Szene war dann: Küssen einer Krankenschwester. Zweite Szene war: Liebe machen in einem Flugzeug. Und meine erste Szene war: Überprüfung der Reifen. Und wenn er da dann lachend zu mir kam und fragte: «Hey Buddy, how are you?» Na ja, dann… (lacht)

Das Make-up ist wirklich erstaunlich.

Ja, schockierend echt. Es gab auch sehr viele Mitarbeiter auf dem Set, die nicht realisierten, dass meine Verbrennungen nicht echt waren und mich völlig erschrocken anstarrten. So konnte ich teilweise nachvollziehen, was Niki Lauda damals durchgemacht haben muss. Ich bewundere Niki für seine Stärke und auch seinen Sinn für Humor, Sarkasmus und Ironie. Jeder andere wäre wohl in Depressionen verfallen.

Was lernten Sie über die Saison 1976, das Sie zuvor nicht wussten?

Die Rivalität zwischen diesen beiden Figuren ist unglaublich faszinierend. Ich wusste zwar einiges über Niki Lauda, aber nicht sehr viel über James Hunt. Die Art wie sich die beiden zum Äussersten trieben, ist einfach unglaublich und die Saison 1976 ist ja in sich schon ein grosser Film. Und es war auch erschreckend zu realisieren, wie gefährlich die Formel Eins damals war. Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, da waren die Rennen mehr oder weniger schon sicher. Nach dem Tod von Senna und auch mit Hilfe von Niki wurden die Sicherheitsvorkehrungen massiv verbessert. Es gab eine Filmvorführung am Nürburgring, wo neben Bernie Ecclestone auch aktuelle Fahrer zugegen waren. Und die fragten Niki: War das wirklich so schlimm damals? Man musste unglaubliche Leidenschaft besitzen, um damals Rennen zu fahren und sein Leben Woche für Woche zu riskieren. Und auch, was dies für die Ehefrauen bedeutete – zu wissen, dass sie eigentlich jede Woche zu Witwen werden könnten.

Wie sind Sie denn im richtigen Leben – mehr James oder mehr Niki?

Mehr James natürlich (lacht). Nein, Spass beiseite, mit James kann man sich nicht messen. Seine Reputation ist konkurrenzlos. Ich bin weder ein Playboy und Rockstar à la Hunt noch dermassen diszipliniert, fokussiert und grenzenlos ehrlich wie Lauda. Aber ich beneide Lauda für seine direkte Art. Ich bin eher ein vorsichtiger, diplomatischer und konfliktscheuer Mensch und Niki ist einfach geradeheraus, das macht ihn auch attrraktiv.

Hat die Begegnung mit Lauda Sie verändert?

Er hat mich zum Beispiel gelehrt, meine Furcht zu überwinden. Gleich zu Beginn sagte er mir, achte nicht darauf, was andere über Dich denken oder sagen. Er hat sofort gespürt, unter welchem Druck ich stand. Und ich hoffe, dass ich diese Lektion in Zukunft auf mein Leben übertragen kann.

War es von Vorteil, dass Ron Howard eigentlich keinen Bezug zur Formel Eins hatte?

Ja, ich denke schon. Das war mit ein Grund, dass wir diese Atmosphäre voller Enthusiasmus und Neugierde hatten während der Dreharbeiten. Einem Regisseur wie Ron Howard kann man eigentlich nichts mehr vormachen. Aber dank des Themas fühlte auch er sich wieder jung und frisch. Er war ungemein neugierig, alles von dieser Welt zu entdecken, von der er nichts aber auch gar nichts wusste. Seine Energie war ansteckend und ich bewundere ihn für seine Kreativität. Kürzlich sagte er mir, dass dies eines der schwierigsten Projekte war, die er je realisiert hat,  weil er ein derart limitiertes Budget hatte. Ich erwiderte: Hey Ron, in Deutschland produzieren wir mit diesem Geld fünf Filme. Er dagegen nennt «Rush» noch heute einen Low-Budget-Film (lacht).

Was fahren Sie eigentlich privat für einen Wagen?

Ich fahre einen, der funktioniert und der schnell ist und sicher: einen Audi A5. Und ich besitze zwei alte Wagen, die kaum noch funktionieren: ein altes Peugeot 304 Cabriolet von 1970 und einen Alfa Romeo Giulia von 1966. Also, der Alfa geht noch etwas besser als der Peugeot (lacht).


Das Interview mit Daniel Brühl fand im Rahmen des 9. Zurich Film Festivals statt.
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#-#IMG2#-##-#SMALL#-#Rush. GB / D 2013. Regie: Ron Howard. Drehbuch: Peter Morgan. Kamera: Anthony Dod Mantle. Musik: Hans Zimmer.
Mit Chris Hemsworth (James Hunt), Daniel Brühl (Niki Lauda), Olivia Wilde (Suzy Miller), Alexandra Maria Lara (Marlene Lauda), Pierfrancesco Favino (Clay Regazzoni), Natalie Dormer (Nurse Gemma).

«Rush» – Trailer »

«Rush» – Featurette »

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