20. August 2020

«The Climb» – Interview mit Michael Angelo Covino und Kyle Marvin

Keine eindimensionalen Alpha-Männchen

Die Drehbuchautoren und Hauptdarsteller Michael Angelo Covino und Kyle Marvin im Gespräch über ihren fulminanten Erstlingsfilm «The Climb».

Interview: Rudolf Amstutz
Freundschaft als Achterbahnfahrt: Kyle Marvin (links) und Michael Angelo Covino in «The Climb». Bild: © Xenix Film

Der ersten Szene von «The Climb» hat der Erstlingsfilm von Michael Angelo Covino und Kyle Marvin auch seinen Namen zu verdanken. Die beiden Freunde Mike und Kyle sind an der Côte d’Azur mit ihren Fahrrädern mitten im Anstieg auf einen Berg, als Mike seinem besten Freund beichtet, dass er ein Verhältnis mit dessen Verlobten hat. Der Aufstieg wird zum Fall für den einen und zum Schicksal des anderen.

Mit viel Liebe zum Detail und im gemässigten Tempo schildert «The Climb» in sieben Kapiteln und in ebenso vielen Zeitsprüngen die ungleiche Freundschaft zwischen dem egoistisch veranlagten Mike und dem gutmütigen Kyle, der es immer und überall allen recht machen will. Wie es sich für eine gut gemachte Komödie gehört, ist die Geschichte voller Brüche und Widersprüche. Wenn das eine Auge ob den Absurditäten des Lebens lacht, zerdrückt das andere Auge ab und zu eine Träne. 

Die emotionale Achterbahnfahrt dieser platonischen Beziehung wird noch verstärkt durch die Inszenierung, in der bewusst mit Musik auf die Gefühlszustände der Protagonisten reagiert wird. Die unaufgeregte und doch raffiniert eingesetzte Kameraführung, der minimale Schnitt, die subtil aufblitzenden Reminiszenzen an das französische Kino und – last but not least – die darstellerische Leistung machen aus «The Climb» eines jener aussergewöhnlichen Kleinjuwele, die als wohltuendes Gegenstück zu den hochgezüchteten Blockbustern im bewusst Kleingehaltenen ganz grosses Kino bieten.

Das Interview mit Covino und Marvin fand am 24. Oktober 2019 in Zürich statt.

Michael Angelo Covino und Kyle Marvin, Sie haben gemeinsam das Drehbuch zu «The Climb» geschrieben, spielen die beiden Hauptrollen, und Sie, Michael, haben zudem Regie geführt. Beide sind Sie wie im Film auch im richtigen Leben beste Freunde. Als Sie sich zum ersten Mal trafen, war es da Liebe auf den ersten Blick? 

Michael: Das müssen Sie Kyle fragen, er war es, der mich für einen Werbespot gecastet hat. Darüber war ich sehr glücklich. 

Kyle: Ich würde es mehr eine Seelenverwandtschaft nennen. Wir haben viele Werbespots zusammen gemacht und haben festgestellt, dass wir uns sehr ähnlich sind. Uns verbindet eine tiefe Liebe zum Kino.

Die Protagonisten im Film tragen die gleichen Namen wie sie. Absicht? 

Michael: Wir sind extrem gut beim Schreiben von Dialogen, aber völlig unfähig uns Namen auszudenken. (lacht)

Es ist also kein Hinweis darauf, dass die Figuren etwas Biographisches mit ihnen teilen? 

Michael: Ich weiß es nicht. Wir waren definitiv zu faul, um bewusst ein solches Fragezeichen zu setzen. Gewiss steckt in beiden Charakteren jeweils etwas von uns selbst. 

Kyle: Wir zeichneten die Charaktere so, dass die Menschen im Kino sagen können: «Ich habe einen Freund, der ist ein wenig wie Kyle». Oder jemanden klar wird: «Yep, ich bin in unserer Beziehung der Mike.» Die Anknüpfungspunkte für das Publikum wollten wir herausschälen.

Der Film wurde in einigen Medien als sogenannter Buddy-Film oder als «Bromance»-Movie bezeichnet. Ich halte dies für unfair, weil solche Filme mit Stereotypen hausieren.

Michael: Uns gefallen diese Bezeichnungen auch nicht. Natürlich sind die Zutaten oberflächlich betrachtet dieselben: Es hat zwei befreundete Jungs und eine Liebesgeschichte. Aber wir wollten dem Publikum zwei Protagonisten präsentieren, die sich nicht charakterlich auf den ersten Blick einordnen lassen. Uns interessierte nicht die Darstellung eindimensionaler Alpha-Männchen. Wir wollten, dass hinter der Absurdität und dem Humor auch eine Verwundbarkeit und Trauer steckt. 

Der Film besteht aus sieben Kapiteln. Dabei werden Orte, Geschehnisse und selbst Jahre bewusst übersprungen.

Michael: Wir wollten ein aktiveres Seherlebnis generieren. Wir lieben Filme, die auf diese Weise herausfordern. Jedes folgende Kapitel beginnt an einer Stelle, wo man sich als Betrachter immer zuerst neu orientieren muss. Das war auch eine Herausforderung für uns. Was lassen wir weg? Am Ende haben wir den Film noch rund 15 Minuten gekürzt, um diese Ort- und Zeitsprünge noch zu verstärken. Im Kopf der Leute beginnt dann ein Prozess, um diese Lücken mit den gezeigten Informationen selber zu schliessen. 

Das Ende der Kapitel erinnert jeweils an das Ende eines Aktes im Theater. Als ob der Vorhang wieder fallen würde.

Michael: Dieser ästhetische Ansatz soll daran erinnern, dass wir uns in einer Fiktion befinden. Wir wollten nie, dass die Geschichte dieser beiden Männer als Cinema verité daherkommt. Dieser formale, bewusst artifizielle Ansatz findet sich auch in der Kameraführung und der Wahl der Musik wieder. 

Der Humor des Films basiert nicht auf Slapstick oder Witzen, es ist die Absurdität der Situationen, aus denen heraus die heiteren Momente entstehen. Es hat aber auch – wie es sich für eine Komödie gehört – tragische Seiten. Selbst die brutalen Momente des Films können lustig sein, ja bisweilen vermitteln die ungewohntesten Szenen eine herzerwärmende Poesie.

Kyle: Michael war es wichtig, dass diese Komödie mit der notwendigen Geduld erzählt wird. Da bestand kein Druck, auf Gedeih und Verderb komisch zu sein. Vielleicht empfindet man eine Szene als brutal oder tragisch, doch in deren Folge schält sich plötzlich etwas heraus, dass man beim Betrachten letztlich als lustig empfindet. 

Michael: Meine Absicht war es immer, dunkle Komödien zu machen. Filme, die der Wahrheit und den Charakteren gegenüber ehrlich sind. Es darf in einem Film Momente geben, in denen man nicht lachen sollte. Oder solche, bei denen man mit Unbehagen lacht. Aber es ist auch völlig okay, wenn einer am Ende rausgeht und den Film als reines Drama empfunden hat. 

Kyle: Der Mensch ist an sich ein urkomisches Wesen. Unter bestimmten Umständen wirkt das wirkliche Leben auf eine Weise absurd, die ganz automatisch Gelächter auslöst. 

Der Film beginnt in Frankreich und hat auch als Ganzes ein französisches Flair. 

Michael: Als Amerikaner trage ich die amerikanische Kinotradition in den Knochen. Wir verstehen die Mechanik der amerikanischen Komödie. Damit sind wir aufgewachsen. Aber die französischen Elemente sind bewusst gewählt. Wir spielen mit dieser fast wahnhaften amerikanischen Vorstellung einer übermässig romantisierten Vorstellung von Liebe, die wir als französische Eigenschaft verstehen. Zudem spielt mit Judith Godrèche als Ava eine bekannte französische Schauspielerin mit. 

Unterscheiden sich die Reaktionen in Frankreich und in den USA? 

Michael: Es gibt universelle Themen, die auf beiden Seiten des Ozeans auf die gleiche Weise empfunden werden. Aber dann hat es gewisse Szenen, in denen lacht sich das französische Publikum tot, während Amerikaner nur Bahnhof verstehen. Oder umgekehrt. 

Kyle: Ich weiss nicht mehr, wie oft ich den Film schon gesehen habe. Aber für mich gibt es nichts Schöneres als in einem Kinosaal zu sitzen und zu sehen, wie das Publikum auf bestimmte Dinge völlig unterschiedlich reagiert. Es ist jedes Mal anders. 

Sie brillieren als Duo. Darf man davon ausgehen, dass Sie weiterhin zusammenarbeiten werden? Dass Sie so etwas Ähnliches wie die Coen-Brüder werden? 

Michael: (mit ernster Miene) Nun, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir keine Brüder sind. Wir sind nicht einmal miteinander verwandt.

Kyle: Genau. Ich werde in einen Zug steigen und in die eine Richtung fahren und Michael in einen Zug, der in die andere Richtung fährt. Die Dinge, die uns persönlich interessieren, treiben uns in verschiedene Richtungen. (lacht)

Michael: Wenn Ihre Frage lautet: Machen wir noch einen Film zusammen? Klar tun wird das. In der Tat schreiben wir bereits an unserer nächsten Geschichte und ich werde auch wieder Regie führen. 

Kyle: Und wir haben auch ein paar Ideen fürs Fernsehen. Wir haben noch eine Menge Dinge, die wir in die Welt setzen müssen. (lacht)

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#-#SMALL#-#«The Climb». USA 2019. Regie: Michael Angelo Covino. Drehbuch:  Michael Angelo Covino und Kyle Marvin. Kamera: Zach Kupferstein. Musik: Martin Mabz. Mit: Michael Angelo Covino (Mike), Kyle Marvin (Kyle), Gayle Rankin (Marissa), Talia Balsam (Suzi), Judith Godréche (Ava).

 

Trailer »

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