«Ihr werdet Euch an diesen Tag erinnern»
Die USA im Jahre 2012, erneut im Wahkampfmodus. Einmal mehr giften sich demokratische und republikanische Vertreter gegenseitig auf den unablässig nach neuen Geschichten lechzenden 24-Stunden-Newssendern an. Die Wahrheit liegt meist irgendwo in der Mitte. Oder seit dem radikalen Rechtsrutsch der Republikaner eher etwas links von der Mitte.
Gerade hat Robert Draper, freier Reporter unter anderen für die New York Times, eine Bombe platzen lassen: in seinem gerade erschienenen Buch «Do Not Ask What Good We Do» durchleuchtet er die Strategien, mit denen im Washingtoner Kongress um die Macht gerungen wird. Draper, ein pedantischer Mann, wenn es um Recherchen geht, schildert gleich zu Beginn ein Treffen der republikanischen Elite. Am Abend des 20. Januar 2009, also an jenem Tag als Barack Obama als 44. Präsident der USA seinen Eid schwor, versammelten sich die ideologischen Gralshüter der Grand Old Party in einem Washingtoner Steakhouse, um den Gegenschlag vorzubereiten. Wortführer Newt Gingrich soll zum Ende des Treffens gesagt haben: «Ihr werdet Euch an diesen Tag erinnern. Ihr werdet ihn als jenen Tag, an dem der Samen für 2012 gelegt wurde, in Erinnerung behalten.»
Die Absicht war klar: die Republikaner würden vier Jahre lang geschlossen auftreten und konsequent jeglichen Vorstoss der Demokraten boykottieren. Und später, wenn sie 2010 die Mehrheit des Abgeordnetenhauses zurückgewinnen würden, den Präsidenten direkt angreifen und Gesetzesvorstösse blockieren.
Bislang lief alles nach Plan. Und dieses Jahr wird sich entscheiden, ob diese Art der demokratischen Verweigerung tatsächlich zum Erfolg führt. Und ob sich der erste nichtweisse Präsident des Landes nach einer Amtszeit bereits wieder verabschieden muss.
Dass Barack Obama die Wahl verlieren kann, ist in einem Land, das kulturell und parteipolitisch gespalten ist und in dem die Protagonisten nichts unversucht lassen, diesen Graben weiter aufzureissen, ein realistisches Szenario.
Das republikanische Establishment hat sich nun hinter einen Kandidaten gestellt, den es eigentlich nicht mag: Mitt Romney. Doch weil der Mann als millionenschwerer Businessman als der richtige Mann zur Rettung für die schwächelnde Wirtschaft angesehen wird, unterstützen sie nun eher unfreiwillig den Ex-Gouverneur von Massachusetts. Am Ende könnte das mangelnde Rückgrat ihres völlig uncharismatischen Kandidaten für die Partei-Elite auch eine Chance sein – als Romney-Berater im Bereich Aussenpolitik haben sich bereits die alten Falken lautstark wieder bemerkbar gemacht. In einem der ersten Statements, bezeichneten sie Russland als Sowjetunion und nannten als einen Verbündeten die Tschechoslowakei. Aber in einer Partei, die Klimawandel als einen grossen Betrug und den Darwinismus als Lüge bezeichnet, ist das Comeback des Kalten Krieges wohl nur die logische Folge.
Wohin die älteste aller modernen Demokratien driftet, wird sich im November weisen. Die Alternativen so scheint es, waren noch nie klarer denn heute. Wenn die Republikaner sich nicht auf ihr bewährtes konservatives Gedankengut zurückbesinnen, droht dem Land bei einem Sieg Romneys ein soziokultureller Kahlschlag. Ronald Reagan würde heute wohl freiwillig aus der Partei austreten, wenn er dies mitansehen müsste. Und Abraham Lincoln? Er hätte sich – wie dies kürzlich der Komiker Jimmy Kimmel treffend bemerkte – wohl gleich selbst erschossen.
Amerika quo vadis? lautet also die Frage in den kommenden Monaten. TheTitle bleibt mit seiner Wahlkampfzentrale nah dran…
Rudolf Amstutz
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