Norah Jones und ihr neues Album «Little Broken Hearts»
«Ich lebe nicht in einem Käfig»
Berühmt wurde Norah Jones für eine gefällige Mischung aus Country und Jazz. Mit ihrem neuen Werk «Little Broken Hearts» wagt sich die New Yorkerin nun auf experimentelleres Terrain. Bei diesem Abenteuer geht man gerne mit.
Von Nick JoyceZwanzig Minuten Zeit hat der angereiste Journalist für seine Begegnung mit Norah Jones, gerade einmal genug, um ein brauchbares Interview zu führen. Trotzdem kommen einem die Minuten, die man mit der erfolgsverwöhnten Sängerin und Pianistin in einem Kölner Konferenzraum verbringen darf, fast zu lang vor. Nicht, dass Jones unsympathisch wäre, nur berichtet sie vom Musikmachen mit der Nüchternheit einer Handwerkerin. Killer-Zitate sind ihre Sache nicht, und um ihr persönliche Anekdoten oder politische Stellungnahmen zu entlocken, bräuchte man wohl mehr Zeit und eine andere Ausgangslage.
Davon kann man nur träumen, denn Jones ist eine sehr private Person. Ist sie nicht auf Tournee oder Promoreise, verschwindet sie gänzlich von der Bildfläche und zieht sich in eine typische New Yorker Anonymität zurück. In der Grossstadt kann sich Jones frei bewegen und nur dann und dort in Erscheinung treten, wenn sie will. Beispielsweise um mit ihrer Nebenband The Little Willies zu spielen oder befreundeten Musikern live unter die Arme zu greifen. «In New York kriegt man mich auf ganz kleinen Bühnen zu sehen, aber natürlich nicht mit meinem üblichen Repertoire», sagt sie. «Dort probiere ich immer neue Sachen aus, ich habe mir das Gitarrespielen sozusagen vor Publikum beigebracht.»
Jones ist mit Herz und Seele Musikerin, nur kann sie von dieser Leidenschaft nicht spannend erzählen. Laut ihr gäbe es von der Arbeit am neuen Album «Little Broken Hearts» nicht viel Nennenswertes zu berichten: «Wenn man nicht selber an irgendwelchem Equipment herumfummelt, sitzt man im Studio viel herum», sagt sie. Solche Statements sind ehrlich gemeint, und doch etwas enttäuschend. Jones hat «Little Broken Hearts» nämlich mit dem Plattenproduzenten Danger Mouse erarbeitet, zurzeit einer der einflussreichsten Figuren der internationalen Musikszene.
Brian Burton heisst Danger Mouse bürgerlich, der DJ und Multiinstrumentalist wurde 1977 bei New York geboren und hat sich im Verlauf der letzten Jahre als Synonym für kreatives Musikmachen etabliert. 2004 mischte er das «Black Album» des Rappers Jay-Z und das «White Album» der Beatles zum eigenen «Grey Album» zusammen und brachte die Urheberrechtler gegen sich auf. Als eine Hälfte des Soul-Projekts Gnarls Barkley landete er 2006 den Welthit «Crazy» und produzierte nebenbei für die Zeichentrickband Gorillaz, den Hip-Hop-Exzentriker Beck und die irische Stadionband U2.
Nun war Burton mit Jones im Studio. Zusammen haben die beiden ein Werk ausgeheckt, das mehr Danger Mouse ist als Norah Jones. Im Vordergrund steht natürlich ihre unverkennbare Stimme, drum herum hat Burton perlende Gitarren, schleppende Beats und hallende Keyboards zu unbehaglichen Stimmungsbildern aufgebaut. Das ist schöne Musik voller grosser Gefühle und eingängiger Melodien, die viele von Jones’ Fans überraschen, wenn nicht sogar vergraulen dürfte.
Bekannt wurde Jones für eine gefällige Mischung aus Jazz und Country, diese machte das Debütalbum «Come Away With Me» (2001) sowie den Nachfolger «Feels Like Home» (2004) zu Millionensellern. Von dieser Erfolgsformel ist auf «Little Broken Hearts» wenig zu spüren. «Manche Leute werden das Album als Ausbruch aus einem Stilkorsett deuten», meint Jones, «aber das ist es nicht, denn ich lebe nicht in einem Käfig von fremden Erwartungen. Die Künstler, die das tun, sollten schleunigst damit aufhören, die eigene Datenspur im Internet zu verfolgen...»
Mit «Little Broken Hearts» hat sich Jones neue Herausforderungen eingebrockt. Diesen Frühling geht sie auf Tournee und muss einen Weg finden, die Stücke aus «Little Broken Hearts» auf die Bühne zu bringen. Da musste ein neuer Ansatz her, schliesslich wollte Jones die Studioarrangements nicht eins-zu-eins reproduzieren. «Bis ich mich ans heimische Klavier gesetzt hatte, um die Songs solo auszuprobieren, war ich unsicher, wie ich sie im Konzert interpretieren sollte», gibt Jones zu. «Zu meiner Überraschung hat die Reduktion sehr gut funktioniert, weil unter all den seltsamen Sounds doch recht simple Songs stecken.»
Auf «Little Broken Hearts» erzählt Jones die eigene Geschichte vom Auseinanderbrechen einer Liebesbeziehung, Einzelheiten darüber gibt sie keine preis. Muss sie auch nicht, war die Trennung offensichtlich eine traumatische Erfahrung: Selbstbetäubung und Mordfantasien gehören nämlich zu den Themen auf dem Album: «In den Songs geht es dramatischer zu und her, als man es wohl von mir gewohnt ist, aber man sollte nicht zu viel in die Musik hineinlesen. Mit Mord und Todschlag habe ich nichts am Hut.»
Wer Jones kennt und schätzt, den wird ihre Abkehr vom Piano-Jazz keineswegs verblüffen. Schon auf «The Fall» (2009) präsentierte Jones Country-Musik mit Science-Fiction-Anstrich, dieser Sound wird auf «Little Broken Hearts» jetzt konsequent weiter entwickelt. Dazu kommt, dass Jones immer wieder mit allerlei anderen Musikern gespielt hat, für das 2010 erschienene «…Featuring» hat sie einige dieser Begegnungen zusammengetragen. Das Album zeigt, wie wandlungsfähig ihre leicht verschlafene Stimme ist: Da tauchen nämlich so unterschiedliche Künstler wie der Jazz-Gitarrist Charlie Hunter, der Soul-Pionier Ray Charles und die Rockband Foo Fighters auf.
Tatsächlich ist «Little Broken Hearts» ein Nebenprodukt einer solchen Zusammenarbeit. Vor einigen Jahren lud Danger Mouse Jones dazu ein, einige Stücke für sein Soloalbum «Rome» zu besingen. Derart gut haben sich die beiden verstanden, dass sie sich 2009 zu einer Probesession in Burtons Studio in Los Angeles trafen. Mit den Ergebnissen waren sie sehr zufrieden, konnten aber aus terminlichen Gründen nicht an den Aufnahmen weiter arbeiten. Erst 2011 kamen sie wieder zusammen. «Wir haben das Album ohne fixe Vorstellungen oder Absichten eingespielt», begeistert sich Jones. «Erlaubt war, was uns gefiel.»
Gefallen hat Jones neben Burtons Experimentierfreude auch das Filmplakat für den Trash-Klassiker «Mudhoney», das der Produzent in seinem Studio aufgehängt hatte. Jones starrte immer drauf, wenn sie wieder mal nichts zu tun hatte, denn es hat sie regelrecht fasziniert. «Die Frau auf dem Plakat hat mich zur Plattenhülle inspiriert», sagt Jones abschliessend, «Ich wollte für einen kurzen Augenblick wie sie sein und sexy und ein bisschen gefährlich rüberkommen.» Beides ist ihr gelungen, und das nicht nur auf dem Cover, sondern auch in der Musik. Gerade weil «Little Broken Hearts» sexy und ein bisschen gefährlich klingt, lässt man sich gerne auf dieses Abenteuer ein.
#-#IMG2#-##-#SMALL#-#Norah Jones. Little Broken Hearts. Blue Note / EMI.
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